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but One among them All troubled me

Galerie der HFBK, Hamburg 2013

Lob der Haut 

© Hanne Loreck 
 

Die künstlerischen Positionen von Rosa Joly und Anna Skov Hassing sind durchaus verschieden und sollen hier auch nicht über den groben Kamm einer Verwandschaft geschoren werden. Und doch haben die beiden Künstlerinnen mit ihrer Ausstellung etwas Gemeinsames herausgearbeitet. Mehr noch, der gemeinsame Nenner wirft auf die je einzelne Position ein aufschlussreiches Licht. Joly/Hassing haben den Raum von seinen Rändern her inszeniert und untersuchen gleichzeitig intensiv Funktion und Form von Oberflächen. Nicht der geometrisch gedachte und säuberlich im Koordinatensystem repräsentierbare Raum steht dabei im Mittelpunkt, sondern derjenige von Intensitäten und Übergängen. Thematisieren die Künstlerinnen Innen und Außen, Transparenz und Opazität, Zugänglichkeit und Ausschluss, Distanziertheit und emotionale Nähe, so geht es gerade nicht um die jeweilige Opposition innerhalb der räumlichen, der qualitativen und sinnlichen Vorstellung, sondern um die Brücken, die auf spezifische Weise vom einen zum anderen führen, oder, anders gesagt, die Idee des einen durch die Beziehung zum anderen grundlegend verändern und umgekehrt. 

Die Künstlerinnen gehen dabei ebenso formal wie affektiv vor, so dass die Bilder, die entstehen, doppelt zählen: Auf der Ebene des Plastischen und des Malerischen wie auf derjenigen des Rituals beziehungsweise der Bildmagie.
Die räumliche Klammer bildet die Gestaltung des Eingangsbereichs und der Fenster – zwei wesentliche Bestimmungen des Randes. Anna Skov Hassings übermannshoher Reifen klemmt im Türsturz und organisiert den Durchgang zur Galerie jenseits der üblichen Türen You wear me, 2013. Das Rund selbst ist nicht nur ein Reifen, bemerkenswert ist, dass er überzogen, mithin bekleidet ist. Es ist diese Hülle, die mit ihrem Glanz und ihrer Glätte lockt. Doch wäre ein solches ‚Kleid’ aus Lackstoff ohne das stabile Gerüst nicht möglich; beide bedingen sich gegenseitig. 

Durch diesen Fetisch-Reifen in die Galerie geführt, fühlt die Betrachterin einen beinahe unmerklichen Widerspruch: Es zieht, die Luft bewegt sich. Aber sind nicht die Fenster geschlossen? Woher also kommt dann die Zugluft im Raum? Tatsächlich stehen die Fensterflügel offen, aber wir haben dennoch keine Sicht nach Draußen. Auf solche Wahrnehmungsirritationen kommt es den Künstlerinnen in dieser Arbeit an; sie sind es, die das Spiel zwischen Abgeschlossenheit und Zugänglichkeit auf diskrete Weise inszenieren. Hinzukommt die Entscheidung, zwei der Fensteröffnungen des Galerieraumes mit etwas zu verblenden, was ich die Haut nenne linkes Fenster: Joly, Earthroom vs Snaky-light (to Walter de Maria); rechtes Fenster: Hassing, When I Burn You Flame, Like Hot Coals, beide 2013: Der geometrisch-perspektivisch gestaffelt erscheinende Raum des Durchblicks wird in eine sinnliche Oberfläche überführt. Diese oberste Schicht ist gespannt denkbar, sie kann aber ebenso geschmeidig wie ein Kleiderstoff sein, Formen wie den Reifen am Eingang ummanteln, sie kann wie Haut geritzt sein oder Schmuck tragen. Alles, was passiert, drückt und zeichnet sich auf ihr ab, hier, zwischen uns und nicht länger in einem Raum, der – und das besagt Albertis Fenstermetapher -- unerreichbar dahinter liegt. 

Sowohl im körperlichen als auch im metaphorischen Zusammenhang bildet Haut eine Grenze. Diese Funktion kommt ihr wesentlich zu sie, auch wenn Haut selbst keineswegs hermetisch geschlossen, sondern ihre organische Funktion diejenige des Austauschs ist. Mit dem Zwischenraum zwischen gleichsam lebendigem Material, synthetischer Oberfläche, Porosität und Abbildlichkeit operieren sowohl Joly als auch Hassing auf je spezifische Weise. In ihrem Voodoo-Kabinett hat Anna ihrem einst Geliebten Gestalt in Form von Puppen verliehen und diese dann wie ein Nadelkissen mit Nadeln übersät But One, Among Them All, Troubled Me, 2012. Vergleichbar dem ethnologisch bekannten Analogiezauber lässt sich eine psychophysische Grenzüberschreitung, ein unerwünschtes, bedrohliches Zunahekommen derart symbolisch parieren. Lacan beschreibt die Bilder, die Liebende einander geben, als eine Maske und als losgelöste Häutchen. Sie kämen besonders im Sexakt zum Zug, von dem er behauptet, nie müsse ein Paar mehr Mann, mehr Frau sein als in diesem Kampf auf Leben und Tod. Ein solches visuelles Doppel zu versenken oder ihm Stiche beizubringen ist in diesem Sinn ebenso emotionsgeladen wie logisch. 

Für Cosmic Double Bed - Helium Dream (to Andy W.), 2013, baut Rosa zwei Matratzen; freilich stellt sie, an eine geöffnete Muschel erinnernd, auf und legt sie nicht hin. Faszinierend halten sich Stabilität und Fragilität die Wage, wenn Tonmassen Aluminiumfolie derart prägen, dass der Eindruck einer rautenförmigen Polsterung entsteht. Weich muten die zwei Objekte an, aber materiell sind sie schwer und hart. Schwerelos hingegen erscheinen sie in dem Moment, in dem das Abendlicht seine 

Muster durch die Fensterschablonen als Lichtspiel aufmalt und die Silberfolie mit leuchtenden Kringeln überzieht. Dann erst verstehen wir den Titel der Fensterpanele Earthroom vs Snaky-light (to Walter de Maria) richtig und Malerei als etwas, das projiziert sein kann und zeitabhängig auftaucht und verschwindet.
Nie kommt die Betrachterin zur Ruhe zwischen den Daten, die Rosa Joly als haptisch-optische Fährten auslegt. Immer schafft ein neues kleines Detail einen weiteren Übergang in semiotisches Terrain. Da liegt ein Riesenstreichholz ‘im Rücken’ der lediglich anschmiegsam ausschauenden Polsterung. Dessen Kopf besteht aus dem Zündstoff von hunderten kleiner Streichhölzer. Rosa nimmt es aus seiner Halterung, zieht es mit aller Kraft über eine gewaltig vergrößerte rauhe Zündfläche, und es fängt Feuer. Überhaupt: Im Rücken der Formen spielt sich einiges ab, das die klassische Wertung zwischen bedeutender Vorderseite und bloßer Rückseite auf den Kopf stellt. Denn hier finden wir auch eine halb abgebrannte Kerze in Rosenform, von der wenig mehr als die Rauchspuren auf dem Matratzengerüst an einen kleinen romantischen Moment erinnern. Rosa Joly liebt solche Details und feiert sie als affektgeladen und in diesem Sinn verbindliche Gesten. Völlig selbstverständlich platziert, spielen sie plötzlich die Frage nach der Rolle von Dekor, vielleicht sogar die klassische Geschlechterzuschreibung durch, die Frauen seien es, die Bestehendes verschönerten, dekorierten und die Männer umgekehrt diejenigen, die wirklich schafften ... Das könnte ein verbissener Diskurs werden, doch hier, und dies keineswegs nur in Rosa Jolys Beitrag, sondern ebenso in Anna Skov Hassings, kommt es über Lust auf Gestaltung, auf Schönes und Geheimnisvolles unverkrampft und beiläufig und nichtsdestotrotz eindrücklich daher. 

BITTE KEINE VERÄNDERUNG OHNE RÜCKSPRACHE MIT DER AUTORIN. DANKE. 

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